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Verantwortliche der Bordellkette im „Paradise-Prozess“ zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt

Datum: 27.02.2019

Kurzbeschreibung:  Kammer erhofft sich von der Verurteilung wegen Beihilfe zur Zuhälterei und Menschenhandel Signalwirkung

Nach 11-monatiger Hauptverhandlung hat die 7. Große Strafkammer des Landgerichts Stuttgart im sog. „Paradise-Prozess“ heute gegen zwei Verantwortliche einer Bordellkette und einen weiteren Angeklagten die Urteile gesprochen. Am 56. Verhandlungstag verurteilte das Landgericht den 65-jährigen Bordellbetreiber und seinen 52-jähirgen „Marketingleiter“ wegen Beihilfe zur Zuhälterei und zum (schweren) Menschenhandel sowie wegen Betrugsdelikten zu einer Gesamtfreiheitstrafe von fünf Jahren bzw. – unter Einziehung einer weiteren Strafe – zu drei Jahren drei Monaten. Ein dritter 71-jähriger Angeklagter bekam wegen Beihilfe zum Betrug eine Bewährungsstrafe von einem Jahr vier Monaten.

Gegen den ehemaligen Chef der Bordellkette ordnete die Strafkammer zudem die Einziehung von Wertersatz in Höhe von etwa 1,3 Millionen Euro an.

Nach einer umfangreichen Beweisaufnahme stellte die Kammer fest, dass die beiden Verantwortlichen der „Paradise-Bordelle“ in Leinfelden-Echterdingen und Saarbrücken es ermöglicht haben, dass dort von März 2008 bis Dezember 2014 mindestens 17 den Gewalttätigkeiten von Menschenhändlern und Zuhältern ausgelieferte junge Frauen zeitweise der Prostitution ohne wesentlichen eigenen Verdienst nachgehen mussten.

Der Kammervorsitzende machte deutlich, dass er sich von dem Urteil eine Signalwirkung verspricht: Verantwortliche eines Bordells seien strafrechtlich zu belangen, wenn mit ihrer Billigung Menschenhändler und Zuhälter Frauen in das Bordell schicken, die dort der Prostitution nachgehen, so der Vorsitzende. Dies gelte unabhängig von der Kenntnis der konkreten Drangsalierungen, unter denen die jungen Frauen zu leiden hatten. „Ein sauberes Bordell in dieser Größe ist kaum vorstellbar“ betonte der Vorsit-zende.

Überdies wurde der als „Bordellkönig“ bekannte geständige Angeklagte dafür verurteilt, dass er von 2012 bis 2014 in betrügerischer Weise vermögende Investoren und Darlehensgeber, die im Prostitutionsgewerbe hohe Profite erzielen wollten, um etwa 2,5 Millionen Euro geschädigt hat. In einem dieser Fälle haben die weiteren Angeklagten durch Verwendung geschönter Zahlenwerke hierzu Hilfe geleistet. Zu Gunsten des Hauptangeklagten wertete die Kammer die in beträchtlicher Höhe erfolgte Schadenswiedergutmachung.



Das Urteil, dem eine Verfahrensabsprache zugrunde liegt, ist noch nicht rechtskräftig.



Urteil LG Stuttgart vom 26.02.2019 - Az.: 7 KLs 200 Js 115430/13
Dr. Johannes Fridrich, Mediensprecher in Strafsachen




§ 27 (Beihilfe)
(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.
(2) 1Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. 2Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.


§ 181a (Zuhälterei)
(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer
1. eine andere Person, die der Prostitution nachgeht, ausbeutet oder
2. seines Vermögensvorteils wegen eine andere Person bei der Ausübung der Prostitution überwacht, Ort, Zeit, Ausmaß oder andere Umstände der Prostitutionsausübung bestimmt oder Maßnahmen trifft, die sie davon abhalten sollen, die Prostitution aufzugeben,
und im Hinblick darauf Beziehungen zu ihr unterhält, die über den Einzelfall hinausgehen.
(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer die persönliche oder wirt-schaftliche Unabhängigkeit einer anderen Person dadurch beeinträchtigt, dass er gewerbsmäßig die Prosti-tutionsausübung der anderen Person durch Vermittlung sexuellen Verkehrs fördert und im Hinblick darauf Beziehungen zu ihr unterhält, die über den Einzelfall hinausgehen.
(3) Nach den Absätzen 1 und 2 wird auch bestraft, wer die in Absatz 1 Nr. 1 und 2 genannten Handlungen oder die in Absatz 2 bezeichnete Förderung gegenüber seinem Ehegatten oder Lebenspartner vornimmt.


§ 232 (Menschenhandel)


(1) 1Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer eine andere Person unter Ausnutzung ihrer persönlichen oder wirtschaftlichen Zwangslage oder ihrer Hilflosigkeit, die mit dem Aufent-halt in einem fremden Land verbunden ist, oder wer eine andere Person unter einundzwanzig Jahren anwirbt, befördert, weitergibt, beherbergt oder aufnimmt, wenn
1. diese Person ausgebeutet werden soll
a) bei der Ausübung der Prostitution oder bei der Vornahme sexueller Handlungen an oder vor dem Täter oder einer dritten Person oder bei der Duldung sexueller Handlungen an sich selbst durch den Täter oder eine dritte Person,
b) durch eine Beschäftigung,
c) bei der Ausübung der Bettelei oder
d) bei der Begehung von mit Strafe bedrohten Handlungen durch diese Person,
2. diese Person in Sklaverei, Leibeigenschaft, Schuldknechtschaft oder in Verhältnissen, die dem ent-sprechen oder ähneln, gehalten werden soll oder
3. dieser Person rechtswidrig ein Organ entnommen werden soll.
2Ausbeutung durch eine Beschäftigung im Sinne des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b liegt vor, wenn die Beschäftigung aus rücksichtslosem Gewinnstreben zu Arbeitsbedingungen erfolgt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu den Arbeitsbedingungen solcher Arbeitnehmer stehen, welche der gleichen oder einer vergleichbaren Beschäftigung nachgehen (ausbeuterische Beschäftigung).
(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer eine andere Person, die in der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 bezeichneten Weise ausgebeutet werden soll,
1. mit Gewalt, durch Drohung mit einem empfindlichen Übel oder durch List anwirbt, befördert, weitergibt, beherbergt oder aufnimmt oder
2. entführt oder sich ihrer bemächtigt oder ihrer Bemächtigung durch eine dritte Person Vorschub leistet.
(3) 1In den Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu erken-nen, wenn
1. das Opfer zur Zeit der Tat unter achtzehn Jahren alt ist,
2. der Täter das Opfer bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung wenigstens leichtfertig in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
3. der Täter gewerbsmäßig handelt oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.
2In den Fällen des Absatzes 2 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn einer der in Satz 1 Nummer 1 bis 3 bezeichneten Umstände vorliegt.
(4) In den Fällen der Absätze 1, 2 und 3 Satz 1 ist der Versuch strafbar.


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