• Sie sind hier:
  • Startseite / 
  • Aktuelles / 
  • Pressemitteilungen / 
  • Schadenersatzklagen von Anlegern gegen Daimler AG: Vorlagebeschluss an das Oberlandesgericht Stuttgart zur Durchführung eines Kapitalanlegermusterverfahrens

Suchfunktion

Schadenersatzklagen von Anlegern gegen Daimler AG: Vorlagebeschluss an das Oberlandesgericht Stuttgart zur Durchführung eines Kapitalanlegermusterverfahrens

Datum: 15.01.2021

Kurzbeschreibung: 29. Zivilkammer legt 68 Feststellungsziele im Zusammenhang mit angeblich unterlassener bzw. unrichtiger öffentlicher Kapitalmarktinformation vor

Die 29. Zivilkammer hat mit Vorlagebeschluss vom 14.01.2021 dem Oberlandesgericht Stuttgart 68 Feststellungsziele zur Durchführung eines Kapitalanlegermusterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) wegen angeblich unterlassener bzw. unrichtiger öffentlicher Kapitalmarktinformation der Daimler AG vorgelegt (Aktenzeichen 129 AR 1/21 Kap).


Anlegerklagen am Landgericht Stuttgart
Am Landgericht Stuttgart sind derzeit über 100 Schadenersatzklagen von Anlegern gegen die Daimler AG anhängig. Darin werfen die Kläger dem Autobauer vor, jedenfalls seit 2012 bei zahlreichen Dieselfahrzeugmodellen im Zusammenhang mit der Stickoxidemission unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut zu haben. Die Kläger, die Aktien der Daimler AG erworben und diese inzwischen zum Teil auch schon wieder veräußert haben, vertreten die Ansicht, die Beklagte habe ihre Entscheidung, unzulässige Abschalteinrichtungen einzubauen, sowie deren Umsetzung bereits vor dem Zeitpunkt des Erwerbs der Aktien – als Insiderinformation bzw. in den Geschäfts- und Zwischenberichten – veröffentlichen müssen, was nicht erfolgt sei. Aufgrund der Verletzung ihrer lnformationspflichten sei die Daimler AG folglich verpflichtet, den Anlegern ihren Schaden (Kursdifferenzschaden oder Transaktionsschaden – realisiert bzw. in Buchpositionen) zu ersetzen. Die am Landgericht Stuttgart geltend gemachten Forderungen gegen die Daimler AG belaufen sich derzeit auf rund 1,26 Mrd. Euro.


Vorgelegte Feststellungsziele
Mit dem Vorlagebeschluss wurden nunmehr die Voraussetzungen dafür geschaffen, entsprechend den Anträgen der Kläger ebenso wie der beklagten Daimler AG für die Anlegerschadenersatzklagen anspruchsrelevante Umstände (sogenannte „Feststellungsziele“) vorab durch das übergeordnete Oberlandesgericht verbindlich klären zu lassen. Die Kammer hat entschieden, gem. § 6 Abs. 1 KapMuG dem Oberlandesgericht Stuttgart insgesamt 68 Feststellungsziele (62 von Seiten der verschiedenen Anlegerkläger und 6 von Seiten der beklagten Daimler AG) zur Durchführung eines Musterverfahrens vorzulegen; 30 Feststellungsziele wurden als unzulässig verworfen bzw. von den Antragstellern wieder zurückgenommen.

Unter anderem wurden die folgenden (zwischen den Parteien streitigen) Feststellungsziele vorgelegt:

• Es wird festgestellt, dass die Beklagte jedenfalls ab dem 10.07.2012 gegen § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG a.F. verstoßen hat, indem sie es unterließ, ihre Entscheidung zum Einsatz verbotener Abschalteinrichtungen in mindestens 24 Diesel-fahrzeugmodellen mit den Motorentypen OM 622, OM 626, OM 642 und OM 651 (…) unverzüglich zu veröffentlichen.

• Bei jeder von der Beklagten getroffenen Entscheidung, Abschalteinrichtungen in ihren Fahrzeugen einzubauen, um die tatsächlichen Emissionen (z.B. Stickoxid-Ausstoß) zu verschleiern, handelt es sich um eine Insiderinformation im Sinne von § 13 WpHG a.F. (bis 01.07.2016) bzw. im Sinne von Art. 7 MMV (ab 02.07.2016). Die Beklagte hat es bis zur Antragstellung unterlassen, diese Insiderinformationen unverzüglich im Sinne des § 37b Abs. 1 WpHG i.V.m. § 15 WpHG a.F. bzw. Art. 17 Abs. 1 MMV zu veröffentlichen.

• Die Unterlassung beruhte auf Vorsatz oder zumindest auf grober Fahrlässigkeit der Beklagten. Indem die Beklagte diese unverzügliche Mitteilung unterlassen hat, hat sie sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB gehandelt. Diese Unterlassung war in Bezug auf die Beeinflussung der Anlageentscheidungen Dritter auch vorsätzlich im Sinne des § 826 BGB.

Darüber hinaus enthält der Vorlagebeschluss Fragen unter anderem zu Aussagen der Daimler AG, Abgaswerte nicht manipuliert zu haben; zu der behaupteten Installation der Abschalteinrichtungen; zu der Zusage der Beklagten an das Kraftfahrt-Bundesamt, Umrüstungen vorzunehmen; zu Geschäfts-, Zwischen- und Quartalsberichten der Daimler AG; zu Ad-Hoc-Mitteilungen des Autobauers und zu Fragen der Schadensberechnung sowie der Verjährung von Ansprüchen. Der Vorlagebeschluss wird in Kürze im Klageregister beim elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht.

Ausblick

Der Beschluss des Landgerichts Stuttgart ist nicht anfechtbar. Nach Bekanntgabe des Vorlagebeschlusses im Klageregister wird das Landgericht über die Frage der Aussetzung der hier anhängigen Anlegerklagen entscheiden. Nach Abschluss des Musterverfahrens und möglicher bindender Feststellungen können die ausgesetzten einzelnen Schadenersatzklagen vor dem Landgericht Stuttgart auf dieser Grundlage fortgeführt werden.

Elena Gihr, Sprecherin des Landgerichts Stuttgart in Zivilsachen

Fußleiste